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Schauspiel 'Dantons Tod' im Schauspielhaus Bochum
Die erste wichtige Premiere im Schauspiel Bochum trägt den großen Titel „Dantons Tod – Eine theatrale Installation“. Die Inszenierung ist außergewöhnlich, teilweise ziemlich abstrakt, aber durchaus sehenswert.

Es ist ein schwieriger Stoff von Georg Büchner, der inhaltlich absolut am Puls der Zeit ist. Es geht um eine Gesellschaft im schnellen Wandel, die die Menschen mit ihren Veränderungen komplett überfordert. Im Original ist es die französische Revolution. Heute ist es nicht mehr ganz blutig, aber trotzdem wird denen, die den Wandel vorantreiben, vom Wahlvolk das Vertrauen entzogen, die politische Kehle durchtrennt, genauso wie Danton und den Revolutionären damals auf der Guillotine.

Es war Danton, der als einer der Anführer den Aristokraten den Laufpass gab. Später traf es auch ihn und seine Mitstreiter. Das Volk ist unberechenbar. Sieht es wirklich nur sich selbst als Individuum? Ist eine geschlossene Gesellschaft, die an einem Strang zieht, überhaupt möglich? Darf Wandel auch viele Opfer fordern? Wie viele werden akzeptiert, ehe das Volk auf die Barrikaden geht? Ist jeder große Wandel automatisch zum Scheitern verurteilt? Das Stück stellt Fragen, die heute brandaktuell sind.

Eine so grausame Guillotine findet man auch der Bühne nicht, aber die Stunden davor sind deutlich inszeniert. Das nicht ganz klar definierte Finale geschieht hinter einer halbhohen Wand, wo sich die zum Tode Verurteilten fliegend die Frage stellen, ob das Volk es tatsächlich wagt, sie ins Jenseits zu befördern. Der Schritt in Richtung Himmel wird so angedeutet, ohne das Fallbeil zu erwähnen, zu hören oder gar zu zeigen.

Los geht im ersten Viertel allerdings recht zäh. Eine merkwürdige Szenerie aus Absperrgittern und Darstellern ist im Bühnenboden versenkt und wird durch einen geneigten Spiegel für das Publikum sichtbar. Auf transparenten Vorhängen werden Textpassagen projiziert, während ein düsterer Soundtrack den Saal beschallt und vorproduzierte Videoszenen die Optik unterstützen. Der Beginn ist zwar kreativ gelöst, allerdings viel zu lang und teilweise einschläfernd.

Im Anschluss daran tauchen die Revolutionäre in Augenhöhe wieder auf und der Kampf untereinander beginnt. Die zersetzenden Elemente, bedingt durch viele unterschiedliche Meinungen, nehmen ihren Lauf. Die schwarze Fahne weht immer heftiger. Jeder hat seine eigenen Vorstellung von der Revolution. Aggressionen, Wut, Resignation und Melancholie wechseln sich ab, während über lange Strecken ein dunkles Auto mit hellen Scheinwerfern monoton auf der Bühne seine Kreise zieht. Das Wirken des Menschen dreht sich bildlich im Kreis und kommt nicht weiter. Überhaupt ist die Inszenierung extrem bildhaft. Man fühlt sich stark an Kay Voges zu seiner Zeit in Dortmund erinnert. Masken und einige andere digitale Elemente sind sehr präsent.

Die Emotionen werden gut und treffend transportiert, allerdings in recht abstrakter Form, was teilweise auch die Kostüme betrifft. Das gut agierende Ensemble auf der Bühne gibt alles, oft unterstützt von einem dunklen, wabernden Sound. Das Leben als Revolutionär wird mehr und mehr zu einem Weg der nicht aufzuhaltenden Fäulnis. Man hat automatisch einige Opfer auf der Strecke gelassen, die sich rächen wollen. Danton wünscht die Ruhe im Nichts, ist des Lebens überdrüssig. Zwischendurch werden sogar die Zuschauer zu Mitgliedern des Nationalkonvents, welches die Richtung vorgibt. Zum Ende hin wirkt es immer spannender inszeniert. Leben wir wirklich in einer Zeit von abertausend Meinungen? Risto Kübar stellt diese Problematik in einem Monolog sehr gut dar. Überhaupt, die Monologe kommen als starke Szenen rüber.

Was müde beginnt entwickelt bei diesem Stück durchaus interessant. Man sollte nur keinen klassischen Danton erwarten, denn den hat man komplett entstaubt, garniert mit modernen Absperrgittern, teilweise Alltagssprache und sogar einer Klimakleberin, die vielleicht nicht unbedingt sein musste. Der Stoff ist szenisch durchaus positiv in der Gegenwart angekommen.

Datum: 2. September 2023 (Premiere)

www.schauspielhausbochum.de