Ein gelungenes Opernexperiment ist im Aalto Theater zu erleben. „L’amant anonyme oder Unerwartete Wendungen“, eine Comédie mêlée in zwei Akten von Joseph Bologne ist keine gewöhnliche Inszenierung. Der Stoff ist eigentlich relativ banal. Valcour (George Vîrban) liebt die traumatisierte Witwe Léontine (Lisa Wittig), findet aber nicht so recht den richtigen Weg. Sie jedoch noch nicht bereit ist für eine neue Beziehung. Anonym lässt er ihr Liebesbriefe zukommen und organisiert Feste, um ihre nahe zu kommen. Wie es so ist, wecken die Fragen nach dem Anonymen ihre Sehnsüchte nach Liebe und Geborgenheit. Parallelen zur heutigen Gesellschaft werden deutlich, nur dass viele Dating-Apps dafür verwenden. Das Grundthema ist so alt wie die Menschheitsgeschichte. Co-Regie führten Zsófia Geréb und Alvaro Schoeck (Unerwartete Wendungen). Die Inszenierung ist wahrlich ungewöhnlich. Es erscheinen Spoken Word Artists, eine gute Ergänzung, wie auch Rainer Maria Röhr und Christina Clark als Zuschauer, die die Handlung auf der Bühne begleiten. Hinzu kommen ein Seniorinnen-Quartett (Jessica Burri, Marie-Helen Joël, Margaret Russell, Suzanne Schwarz), Street-ArtTänzerInnen (Renate Henze, Dalil Belmir, Ernest Butman, Souhail Jalti, Nicole Kufeld, Rymon Zacharei) sowie ein Chor. Teilweise findet man Beteiligte auch im Publikum. Dann ist man ist ganz nah dabei. Die Drehbühne hat jede Menge zu tun, lockert das Geschehen aber auf. Das Bühnenbild kommt regelmäßigen Aalto-Besuchern bekannt vor, aus „La finta giardiniera“. Es passt durchaus auch zu diesem Stoff. Das Experiment ist geglückt. Oper geht auch mal anders und mutig, besonders wenn der Komponist so gut wie unbekannt ist. Viel ist über nicht überliefert. Joseph Bologne wurde 1744 auf Guadeloupe geboren, siedelte nach Paris über und war seiner Zeit ein großer Fechter, wie auch ein Geiger, Offizier, Dirigent und Komponist, also ein Multitalent. Es ist seine einzige überlieferte Oper, die damals 1780 in privaten Räumen uraufgeführt wurde. Musikalisch kann der Abend voll überzeugen, leicht und beschwingt, wie die Sehnsucht nach Liebe. Die musikalische Leitung hatte Wolfram-Maria Märtig. Für die schöne Komposition der „Unerwarteten Wendungen“ zeichnet SJ Hanke verantwortlich. Ganz besonders an diesem Premierenabend war der Abschluss mit Künstlern und Publikum im Foyer. 30 Minuten lang wurde durfte man Jazz-Klängen lauschen, seinen Gaumen verwöhnen oder das Gespräch mit Beteiligten suchen. So nahe kommt man den Bühnenakteuren normalerweise nicht. Datum: 16. März 2024 www.theater-essen.de |
Oper 'L’amant anonyme oder Unerwartete Wendungen' im Aalto Theater, Foto: Matthias Jung nächstes Foto |