Mit der tiefgründigen Komödie „Die Tanzstunde“ von Mark St. Germain thematisiert das Theater im Rathaus in Essen das Thema Autismus und öffnet es auf diese unterhaltsame Art und Weise einem breiten Publikum. Madeleine Niesche und Ralf Stech machen das richtig gut. Regie führte Heinz Kreidl. Ever Montgomery ist Professor. Er muss für seine eigene Preisverleihung unbedingt tanzen lernen, nur leider leidet er unter dem Asperger-Syndrom, einer speziellen Unterform des Autismus. Trotzdem zwingt ihn die Verleihung zu einem fast unüberbrückbaren Schritt. Er muss seine Nachbarin Senga Quinn, eine gerade verletzte Tänzerin, darum bitten, ihm ein paar Tanzschritte beizubringen. Sie weiß nicht, ob sie jemals wieder tanzen kann und er scheut jede Berührung. Wie geht das zusammen? 2.153 Dollar für eine Tanzstunde sind sein Angebot, das sie zunächst ausschlägt, doch die Vernunft siegt und beide lernen sich etwas verstört kennen. Der Humor geht hier und da verbal natürlich schief, doch mit der Zeit wissen beide um ihre Schwächen, durchschauen und stützen sich gegenseitig. Sie kann sich ein Leben ohne Tanz eigentlich nicht vorstellen, ist unglücklich und sucht zunächst nach wenig guten Auswegen, Tabletten und Alkohol. Auch Ever ist mit seinem Leben nicht glücklich, fühlt sich alleine mit seinen Daten, Fakten und Analysen. Ein Kind von 68 wird heute als autistisch diagnostiziert. Die Dunkelziffer ist höher. Humor und Lügen sind für ihn als Autisten Fremdwörter. Lügen erkennt Ever sofort, auch Madeleines Lebenslügen bezüglich ihres Zustands und ihrer Familie. Das Stück ist ein spannender Einblick in die Welt von Autisten, wo jeder Fall etwas anders liegt. Für Nicht-Autisten ist es schwer vorstellbar, sich nicht die Hand geben zu können oder sich nicht zu umarmen. Selbst ein Luftkuss auf die Wange ist unmöglich. Doch ist es nur der Kopf, der anders tickt. Sein Körper ist durchaus ganz normal, reagiert auf weibliche Reize. Kann Senga ihm auf diese Art und Weise packen? Langsam kommen sich beide näher. Veränderungen scheinen auch bei Autisten möglich zu sein, vielleicht nicht komplett, aber teilweise. Die Zukunft der beiden völlig verschiedenen Menschen, die doch gemeinsame Schnittmengen an sich entdecken, bleibt offen, wird nur angedeutet. Das Stück ist unterhaltsam und stimmt durchaus nachdenklich. Laufzeit: 5. bis 29. September 2024 theater-im-rathaus.de |
Schauspiel 'Die Tanzstunde' im Theater im Rathaus in Essen, Foto: Jennifer Zumbruch nächstes Foto |