Mit der Opéra-bouffon „Orpheus in der Unterwelt“ von Jacques Offenbach präsentiert die Oper Dortmund ein wahres Bühnenfeuerwerk mit einer großen Portion Humor und jeder Menge Unterhaltung. Wie bricht man einen Stoff aus der Mitte des 19. Jahrhunderts so auf, dass er die Besucher von den Sitzen reißt? Regisseur Nikolaus Habjan hat dies vollbracht. Man findet durch die Bank strahlende Gesichter der Gäste bei so viel wunderbaren Szenen, guten Stimmen, klasse Kostümen und einem außerordentlichen Bühnenbild. Nicht zu vergessen sind die Dortmunder Philharmoniker, die in einem Orchestergraben spielen, der zum Pool umdekoriert wird. „Springen vom Beckenrand verboten“, lautet das Motto. Der Hades kommt kommt mal ganz anders daher. Wasser ist dort keines drin, aber gute Töne spritzen heraus. Es ist die kritische Ausgabe der Offenbach Edition Jean-Christophe Keck (OEK) in deutscher Textfassung von Ludwig Kalisch mit Ergänzungen von Frank Harders-Wuthenow. Man versteht die Texte ganz gut, kann sich auf das Geschehen auf der Bühne also konzentrieren. Es ist eine Welt, die die Pop Art eines Roy Lichtenstein huldigt. Typische, schwarze Konturen, der berühmte Strahlenhorizont oder das bekannte „Whaam!“ charakterisieren das Bühnenbild. Wunderbar spielt man hier mit den typischen Symbolen dieser legendären Kunst-Ära, bei den Kostümen und bei der Bühne. Beide Bereiche verschmelzen hervorragend miteinander. Äußerst gelungen hat man die Figuren inszeniert. Die öffentliche Meinung (Maria Hiefinger) tritt immer wieder in selbstbewusst in Erscheinung, mit einem Ausrufungszeichen als Betonung auf dem Kostüm. Viel Applaus erntet Steffen Schortie Scheumann in der sehr dankbaren Rolle des Hans Styx. Wie ein Fantasy-Wesen kommt er sehr überzeugend daher. Wie ein sinnbildlicher Göttervater tritt Morgan Moody als Jupiter auf. Genauso stellt man sich so optisch den Vorsitzenden der Götter vor. Rinnat Moriah als Eurydike hat mit ihren knallgelben Haaren eine Ähnlichkeit mit Warhol-Figuren. Später wechselt ihre Frisur zu feuerrot. Pluto hat das Antlitz einer Fledermaus in einem schwarzen Flügelmantel, auch eine Art Fantasy-Wesen. Selbst als Fliege mit großen Augen tritt er wunderbar humorvoll in Erscheinung. Soyoon Lee macht als Cupido ebenso eine sehr gute Figur. Die göttliche Kaste wird auf den Kopf gestellt, szenisch und optisch. Man ist erstaunt, wie viele Personen auf diese Bühne passen. Neben dem sehr guten Chor treten sehr oft einige TänzerInnen in Erscheinung. Ob als Physiotherapeuten oder als teuflischer Hades verkleidet, bringen sie immer wieder Dynamik und Humor in die Szenerie. Höhepunkt ist natürlich der Cancan während des Höllenfests. Da geht sogar das Publikum mit. Die Stimmgewalt des Chores hebt die Bedeutung der vielen Gruppenszenen besonders hervor. Wenn die Hölle tatsächlich so aussehen würde, man würde sie gegen den Himmel gerne tauschen. Zwei Besonderheiten müssen noch hervorgehoben werden. Es gibt einen Geiger auf der Bühne, der sich musikalisch klasse hervortut, ohne zu prägnant zu wirken. Bemerkenswert ist die Idee, die Akteure auch vor dem Orchestergraben regelmäßig auftreten zu lassen. So ist man ganz nahe an der Szenerie. Die Distanz zwischen Bühne und Publikum wird ein wenig aufgehoben. Diese Inszenierung ist eine absolut runde Sache, die sogar junge Menschen begeistert. Dieser außerordentlich gute Abend fällt auf, ist eine erfrischende Idee, um einen Klassiker jung und kreativ zu präsentieren. Datum: 5. Februar 2024 www.theaterdo.de |
"Orpheus in der Unterwelt", Foto: Björn Hickmann nächstes Foto |