Die Brost-Stiftung hatte zur Buchveröffentlichung und Diskussionsveranstaltung zum Thema „Rückzug des Staats? Das Spannungsfeld zwischen staatlicher und privater Sicherheit“ in den Erich-Brost-Pavillon auf dem Dach der Kohlenwäsche auf Zollverein eingeladen. NRW-Innenminister Herbert Reul war als hochrangiger Vertreter zum Thema vor Ort. Es ist eines der wichtigsten Themen, wenn man die Bevölkerung fragt. Genau das hat die Brost-Stiftung getan und weitere interessante Gesprächspartner eingeladen: Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl (Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg), Friedrich P. Kötter (Kötter Unternehmensgruppe), Birgitta Radermacher (Regierungspräsidentin a. D.) und Heimo Krum (Stellv. CIO FUNKE Mediengruppe). Hoch über Essen ist dieser Ort mit seinem Weitblick ideal für gute Diskussionen. Die Einleitung übernahm wie immer sehr kompetent und wohl formuliert Prof. Bodo Hombach als Vorsitzender der Brost-Stiftung. Weltbilder zerschmettern gerade an der Realität. Neue globale Allianzen werden derzeit ohne Deutschland geschmiedet. Die Weltordnung wird neu sortiert. Viele Menschen sind irritiert und verunsichert. Dabei ist die Gefahrenabwehr besser auf Landesebene aufgehoben, als auf Bundesebene. Viele Köche verderben in Berlin wenig vertrauensvoll den Brei. Man muss aufpassen, dass ethnische Gruppen nicht verdrängt werden. Er erwähnte die explodierende Cyber-Kriminalität, die über 200 Mrd. Euro an Schaden pro Jahr hinterlässt. In Sachen Steuerkriminalität beläuft sich der Schaden in Deutschland auf 120 Mrd. Euro. Ist die innere Sicherheit tatsächlich eine Mangelverwaltung? Hass im Netz und Sprachverwirrungen sind an der Tagesordnung. Die Digitalisierung hat viele negative Auswirkungen, die man im Blick haben muss. Dabei ist die Privatwirtschaft durchaus eine wichtige Unterstützung, solange der Staat als einziger das Gewaltmonopol ausüben darf. Private Sicherheitsunternehmen sind willkommen, wenn sie gemeinsam mit der Polizei qualifizierte Kräfte ausbilden. Es macht jedes Mal Spaß, seinen klugen Worten zu lauschen. Im Anschluss sprach der erfahrene NRW-Innenminister Herbert Reul überzeugend aus der politischen Praxis, auch durchaus selbstkritisch und ehrlich. Die Clan-Kriminalität hatte er anfangs unterschätzt, aber aus seinem Fehler gelernt und fortan engagiert zugepackt. Er macht sich Sorgen. Die Bürger sind verunsichert. Wie kann der Staat helfen? In Sachen Cyber-Abwehr würde er gerne Experten einstellen, doch die freie Wirtschaft zahlt besser. 50 Beamte werden aktuell für das Thema intern fit gemacht, zu wenige, aber besser als nichts. Er erwähnte die digitale Ausstattung der Polizisten. Man investiert teuer in digitale Ausrüstung, aber schon nach relativ kurzer Zeit werden von Hersteller die Updates eingestellt. Man darf für eine neue Ausrüstung wieder jede Menge Geld in die Hand nehmen. Es liegt nicht nur am Willen des Ministers, sondern auch an der Privatwirtschaft und dem eigenen Etat. Es gibt rechtliche, finanzielle und personelle Grenzen bei der Clan-Bekämpfung. Kann in Zukunft vielleicht die KI eine Rolle spielen? Man darf das Problem definitiv aber nicht verschweigen. Was nicht möglich ist, das ist die komplette Privatisierung von Sicherheit. Er betonte die nötige Qualität der privaten Sicherheitsdienste. Selbst dann dürfen sie z.B. nicht ein US-Konsulat oder eine Synagoge bewachen. Solche Fälle bleiben staatliche Aufgaben, die leider auch Personal binden, das man besser nutzen könnte. Im Falle von Pädophilen warf er die Frage auf, ob nicht auch Private die mühsame und zeitraubende Auswertung der sichergestellten Datenträger übernehmen können. Er wirkte engagiert, selbstreflektiert und absolut aktuell im Thema, ebenfalls ein sehr positiver Redebeitrag. Ein Autor des neuen Buchs „Rückzug des Staats?“ ist Frank Richter, ein ehemaliger Polizeipräsident. Er berichtete, dass Probleme in der Polizei intern gerne vor sich her geschoben werden. Es gibt parteipolitische Hemmnisse und oft finanzielle Kürzungen im Budget. Bei Delikten wird leider öffentlich viel öfter über die Täter gesprochen, als über die Opfer. Friedrich P. Kötter ist als Familienname bestens bekannt. Kötter ist ein Begriff in der Branche. Seit 1850 gibt es Sicherheitsdienste in den USA, seit 1901 auch in Deutschland. Auch er sucht händeringend neue Mitarbeiter, fordert mehr Tempo und Flexibilität bei der Schaffung der neuen Rahmenbedingungen in der Ausbildung. Die Bürokratie muss dringend reduziert werden. Auch neue Videotechnik kann fehlendes Personal ersetzen. Datenschutz ist allerdings häufig ein Täterschutz. Rund 270.000 Menschen arbeiten in Deutschland in der Branche. Heimo Krum von der Funke Mediengruppe sprach aus leidvoller Erfahrung. Vor wenigen Jahren wurden sie böse gehackt. Es war eine kaum zu erkennende Mail bezüglich einer Software, die auch im Haus verwendet wurde. Ein falscher Klick eines Mitarbeiters genügte, dass zwei Tage später der Server wurde. Man blieb aber hart, zahlte nicht die Lösegeldforderung. Externe Experten bekamen den Vorfall wieder in den Griff. Die digitale Sicherheit wurde verstärkt, doch wirklich sicher darf man sich auch jetzt nicht sein. Eine hundertprozentige Abwehr gegen Hackerangriffe kann es nicht geben. Birgitta Radermacher ist zwar Regierungspräsidentin a. D., aber mit dem Thema noch immer gut vertraut. Sie berichtete von einer Firma, die von einem Clan per Betriebsrat unterlaufen wurde. Der Chef zeigte Courage, entfernte nach und nach alle Beteiligten, was nicht einfach war. Die Arbeitsgerichte folgten ihn nur widerwillig, trotz klarer Beweise. Am Ende wurde es für ihn teuer, aber er hatte seine Ruhe. Die Diskussionsrunde auf dem Welterbe Zollverein zeigte, dass das Thema Sicherheit aktueller denn je ist. Es bedarf kluger Gedanken und handelnden Menschen. Alle Verantwortlichen, also auch wir Bürger als Immobilienbesitzer oder Mieter, sollten regelmäßig darauf achten. Sicherheit fängt beim privaten Einbruchschutz an und endet irgendwo in der Cyber-Welt. Auch das Buch „Rückzug des Staats?“, herausgegeben im Tectum-Verlag, ist sehr lesenswert. Datum: 12. Dezember 2023 www.zollverein.de |
Prof. Bodo Hombach, Foto: Jehle nächstes Foto |