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Fachmesse 'Shipping - Technics - Logistics' 2020 in der Messe Kalkar
Auf der Fachmesse "Shipping - Technics - Logistics" 2020 in Kalkar stand eine Branche im Mittelpunkt, die zwar häufig im Alltag wahrgenommen wird, aber selten hinterfragt wird. Der Anteil der Binnenschifffahrt am Transportaufkommen sinkt seit Jahren. Es ist eine Branche zwischen Hoffnung und Problemen.

Gerne sitzt man in Düsseldorf oder anderswo am Rhein und lässt die Frachtkähne an seinem Tisch vorbeiziehen. Sie sind in der Regel eine schöne Dekoration für Ausflügler am Rhein. Spontan tauschen möchte man aber meistens lieber nicht. Was steckt hinter dieser romantisierten Sicht und warum bleibt man eher am Ufer? Klar, wer auf einem Schiff arbeitet, der ist lange Zeit weg von seinem Zuhause an Land. Mit der Familienplanung lässt sich der Job kaum vereinbaren. Häufig haben die alten Dieselmotoren zudem das Stigma des Umweltsünders.

Bei allen Einwänden ist und bleibt die Binnenschifffahrt ein wichtiger Baustein der Transportwirtschaft. Rund 75 bis 80% der Schiffe sind von Partikulierern, also selbstständigen Schiffern mit einem Schiff. Der Rest der Flotte gehört Reedereien. Unterschieden wird zwischen Frachtschiffen und Fahrgastschiffen. Ein großes Problem der Frachtschiffe sind die sinkenden Frachttarife, bedingt durch Dumpingtouren osteuropäischer Kollegen. Zahlreiche Aufträge fielen in den letzten Jahren ebenfalls dem Kohleausstieg zum Opfer, während es Eignern von Tankschiffen noch relativ gut erging. Ein immer wiederkehrendes Problem für alle ist der Klimawandel, verbunden mit wenigen Niederschlägen und relativ niedrigen Pegeln. Die Frachtmenge pro Schiff reduziert sich. Teilweise verdienen die Partikulierer gerade mal ihren Lebensunterhalt. Kleine Reparaturen von ca. 10.000 Euro werden gerne geschoben. Die zunehmenden wirtschaftlichen Probleme schlagen sich weiterhin auf Beteiligte wie z.B. Werften, Motorenhersteller oder sonstige Zulieferer nieder. Die Zeiten, in denen sich ein Binnenschiffer in schlechten Zeiten zwischendurch mal eben einen Job an Land suchte, sind vorbei. Der Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V. konnte Interessierten wertvolle Informationen liefern.

Zu optimieren ist auf jeden Fall die Infrastruktur, wie man vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erfahren konnte. Schleusenmaße und Brückenhöhen setzten die baulichen Grenzen der Binnenschifffahrt. Erst wenn eine Brücke erneuert werden muss, setzt man sie ein wenig höher. So würde das VW-Werk in Wolfsburg auch niemals auf die Idee kommen, die Fracht per Schiff über den Kanal angeliefert zu bekommen. Beim Landstrom für ankernde Schiffe in Häfen besteht ebenfalls noch großer Spielraum nach oben, um die Dieselaggregate nicht laufen lassen zu müssen.

Parallel zu den Problemen werden die Umweltanforderungen immer klarer definiert. Das Durchschnittsalter der Trockenfrachtschiffe in Deutschland beträgt etwa 65 Jahre. Für solch alte Motoren gilt ein Bestandschutz. Muss ein ganz neuer Motor her, so sind für ein modernes Rheinfrachtschiff durchaus 350.000 Euro zu veranschlagen. Darin stecken auch hohe Beträge für die Zertifizierung eines Motors, ein großes Risiko für alle Motorenbauer. Der Markt der Anbieter hat sich auf zwei bis drei stark reduziert. Man kann allerdings auch mit Filtertechnik eine Menge erreichen, Kostenpunkt etwa 30.000 bis 40.000 Euro. Hierfür gibt es 40 bis 60% Förderung vom Bund, während der lediglich mit 14% Zuschuss ein Einbau neuer Motoren fördert. Bei Motoren plant die EU für 2021 den Anteil auf 60 bis 80% anzuheben. Bei Motorenbauer sauer & sohn plant man mit einem neuen Aggregat hoffnungsvoll die Zukunft. Immerhin arbeiten die individuell eingebauten Filter diverser Hersteller so gut, dass Rußpartikel und Stickoxide (SCR-Anlagen) so sehr reduziert werden, dass man die Abgase unbedenklich einatmen kann. Abgasbrenner, die die Rußpartikel auf 600°C erhitzen, sorgen dafür, dass die Filter möglichst frei bleiben, wie bei der Technik der Firma Fischer.

Der Mut für Investitionen ist in der Personenschifffahrt spürbar höher. Hier herrscht ein gesellschaftlicher Druck, weniger Abgase in die Luft zu pusten. Egal ob Fracht- oder Personenschiffe, bei Neubauten kommen die Rümpfe in der Regel aus Rumänien oder China. Lediglich der Ausbau erfolgt noch in den Niederlanden oder Deutschland. Deutsche Werften können glücklich sein, wenn sie genügend Reparaturaufträge zu verzeichnen haben, doch auch die werden in Corona-Zeiten gerne geschoben, wie auch alle nicht unbedingt notwendigen Investitionen.

Man blickt aber durchaus nach vorne. Vollständig autonom fahrende Schiffe sind zwar praktisch und rechtlich eine Utopie, aber die Automatisierung des Steuerhauses zeigt die Firma argonics sehr innovativ. Man gibt einen Kurs vor und das Schiff orientiert sich automatisch per Software. Trotzdem sollte ein Schiffsführer immer die Lage im Blick haben. Hindernisse erkennt das Programm noch nicht. Reine E-Antriebe oder Wasserstoff-Motoren sind ein Thema, aber lediglich in der Versuchsphase oder bei recht kleinen Fahrgastschiffen im Einsatz. Für einen Frachtkahn auf dem Rhein sind die Batterien zu schwer und die Technik erfordert einen größeren Maschinenraum, der den Frachtraum räumlich reduziert.

Das Schiffer-Berufskolleg Rhein präsentierte seinen neuen Simulator, der Wellen und Strömungen diverser Wasserstraßen Deutschlands nachahmt. Selbst Prüfungen können so optimal abgelegt werden, denn die Bedingungen sind für alle Prüflinge gleich. Das Berufskolleg vermittelt zudem technisches Wissen, Brandbekämpfung am Bord oder das Verhalten bei Leckagen. Passend dazu zeigte die Firma Wittig sicherheitsrelevante Produkte wie Schwimmwesten oder Arbeitsjacken. Nicht wenige Arbeitsunfälle passieren beim Anlegen zwischen Spundwand und Schiff.

Wer sein Schiff ein wenig optisch verschönern möchte, der kann das Foliendesign von Mr.Pink aus den Niederlanden auf seinen Rumpf kleben, wasserfest mit zehn Jahren Garantie. Interessant waren die Enthusiasten der Modelbouw Groep Devel. Frachtschiffe bauen sie Maßstab 1:50 nach, den Sound eines alten Deutz 45 inklusive. Kräne und Hafenanlagen funktionieren bei ihnen wie im echten Leben.

Wer mehr über die Geschichte der Binnenschifffahrt erfahren möchte, der ist im Museum der Deutschen Binnenschifffahrt in Duisburg genau richtig. Die Dauerausstellung präsentiert Historisches bis zur Neuzeit. Aktuell ist die Sonderausstellung "Bäderarchitektur" im Haus zu sehen. Der Bau wurde früher als Schwimmbad genutzt.

Datum: 29.-30. September 2020

www.shipping-technics-logistics.de