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„Kalter Weißer Mann“ lautet der Titel der klasse inszenierten Tragikkomödie von Dietmar Jacobs und Moritz Netenjakob im Theater im Rathaus in Essen. Es geht ums Gendern, um Gleichberechtigung, Rassismus oder den Umgang mit Mitarbeitern verschiedener Generationen in einer Firma, umrahmt vom mehr oder weniger traurigen Begräbnis des Firmengründers. Der alte Herr ist mit 94 Jahren verstorben. Horst Bohne (René Heinersdorf), ist der vom Gründer bestimmte Nachfolger. So scheint es. Er organisiert ein minutiös geplantes Firmenbegräbnis. Die Urne und der Kranz mit Schleife stehen bereit, der Geistliche (David Hober) ist anwesend. Jetzt fehlen nur noch die KollegInnen, um gebührend Abschied zu nehmen. Alles sollte seinen Gang gehen, doch das wäre ja langweilig. Das Geschehen mutiert zum einem Streit fast bis aufs Blut. Tatsächlich hat die junge Führungskraft Alina (Mareike Haas) etwas an der Schleife zu meckern. Dort steht „In tiefer Trauer. Deine Mitarbeiter“. Was soll daran verkehrt sein? Es fehlen die Mitarbeiterinnen. Sie fühlt sich nicht angesprochen und hat zudem auch noch ihren wuseligen Social-Media-Reporter Kevin (Erik Haarhaus) mit dabei. Auch er ist der Meinung, dass man den Kranz so nicht posten kann. Es folgt der erste Online-Shit-Storm, noch bevor die Trauerkapelle geöffnet ist. Als dann die junge Praktikantin Kim (Hannah Marie Bahlo) auch noch ihre Meinung selbstbewusst posaunt, kocht es über, wird zum Tribunal für Horst, dem angeblich „Alten weißen Mann“. Was folgt ist kein Begräbnis, sondern eine heiße und emotionale Diskussion, wie man die Mitarbeiterinnen auf der Schleife mit einbezieht, ein Begräbnis der menschlichen Kommunikation. Ein Genderstern soll es sein oder die Endung „Innen“. Horst Bohne bleibt hart, beharrt auf seinen bisher gewohnten Dingen. Unter „Mitarbeitern“ versteht er Männer und Frauen. Was soll das ganze Theater? Langsam schaukelt sich die Stimmung hoch. Die Sekretärin Rieke (Daniela Wutte) fühlt sich in ihrer Tätigkeit herabgewürdigt, diskriminiert. So manche unpassende Formulierung rutscht ihnen allen mal heraus. Anderswo trifft es auf Entsetzen. Man fühlt sich beleidigt, rassistisch beleidigt oder nicht respektiert. Jeder fühlt sich genötigt, seine Gedanken zu äußern. Beleidigt wird hier von allen Fronten, und die sind verhärtet, während der Alte in seiner Urne auf sein Begräbnis wartet. So richtig humorvoll bis ernst wird es direkt nach der Pause, als der Geistliche endlich loslegen kann, aber immer wieder respektlos gestört wird, bis es ihm reicht. Er hält ihnen dabei mal vor, wie bescheiden es ihm geht. Kirchen sind doch nur noch Fotomotive und Touristenattraktionen. Er wird dabei oft zum Statisten einer Show, die Hochzeit oder Taufe zum Event stilisiert, ohne einen echten Glauben. Wo steht die Kirche in der heutigen Gesellschaft? Ohne die christlichen Werte wäre das menschliche Dasein doch nichts wert. Ehrliche Worte eines Geistlichen in der heutigen Zeit. Er geht und lässt alle alleine. Der Online-Shitstorm der dann folgt, ist schlimmer als der, den unser Bundeskanzler aktuell über sich ergehen lassen muss. Wer hat was gepostet? Da genügt ein einziges unpassendes, rassistisches Wort, hier und da. Dieses Stück ist brillant von Katarina Schmidt inszeniert. Es ist ein heißer Ritt auf einer scharfen Rasierklinge. Oft wird das verbale Maß bewusst überschritten. Ganz schnell ist irgendeine Äußerung rassistisch, diskriminierend oder beleidigend. Die Generationen haben völlig verschiedene Blickwinkel und Ausdrucksweisen. Wie sieht politische Correctness aus? Mit sehr guten Argumenten und Dialogen, bzw. spitzfindigem Humor, werden die Behauptungen aber immer wieder geschickt entgegnet und eingefangen. Wer hat Recht? Ist das Alte völlig aus der Zeit oder sind die jungen Leute einfach zu rechthaberisch, zu rebellisch. Jeder glaubt die Wahrheit zu kennen, selbst die Praktikantin. Darf ein Chef mit der Mitarbeiterin in einem Lokal dienstliche Dinge besprechen? Ist das schon sexistisch? Was ist, wenn sie Gleiches im Umkehrfall macht? Wie schnell hat man als Leitungsfunktion den Vorwurf des Sexismus, der Übergriffigkeit an der Backe! Eine private Beziehung zwischen Mitarbeiter und Mitarbeiterin stößt bei der Belegschaft schnell mal auf Skepsis. Das Stück regt zum Nachdenken an, guter Humor inklusive. Ist nicht manchmal etwas mehr Toleranz gegenüber den Mitmenschen der bessere Weg? Niemand ist perfekt. Ob man allerdings das gezeigte Happy end mag, oder es doch vielleicht lieber realistisch-ehrlich gesehen hätte, bleibt jedem selbst überlassen. Fest steht, dass dieser packende Abend absolut sehenswert ist, nah am Puls der Zeit und mit dem Finger in der Wunde. Diese Redaktion verwendet übrigens kein Gendersternchen und auch keinen Doppelpunkt, weil diese den Lesefluss des Textes beeinträchtigen. Trotzdem kann jeder lieben wie Er, Sie oder Es möchte. Laufzeit: 23. Oktober bis 20. November 2025 theater-im-rathaus.de |
Komödie 'Kalter Weißer Mann' im Theater im Rathaus in Essen, Foto: Theater im Rathaus![]() nächstes Foto |
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