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Mit dem großen Auftragswerk „Menschliches Repertoire“ heißt das Theater Oberhausen seine Gäste auf der Hinterbühne der Welt willkommen. Das Stück von Noah Haidle betrachtet das menschliche Handeln aus einer besonderen Perspektive. Regie führte ausgezeichnet Theaterintendantin Kathrin Mädler. Franziska Isensee sorgte für eine wunderbare Bühne und richtig klasse Kostüme. Es ist das erste Schauspiel, welches man auf der Raumbühne im Theater zeigt, der Renovierungsarbeiten im Haus bedingt. Für die Idee einer untergehenden, menschlichen Gesellschaft, die offenbar dabei ist, sich selbst abzuschaffen, ist das sogar ein sehr gelungener Ort. Mit dem US-Autor Noah Heindle hat man dazu einen Experten für eine spürbar gespaltenen Gesellschaft gefunden. Als Bewohner eines aktuell faschistisch regierten Staates erlebt er die Probleme tagtäglich. Seiner Meinung nach wäre dieses Stück in seiner Heimat USA inhaltlich nicht aufzuführen, weil es zu real und zugleich zu skurril ist. Faschisten und Tyrannen schauen nicht so gerne in den Spiegel und wollen schon gar nicht geliebt werden, doch die Liebe gilt als der Kitt der Gesellschaft. Also, willkommen irgendwo da oben. Alle Schauspieler des Ensembles und die Gäste befinden sich am Rande eines geheimnisvollen Schlundes in die Tiefe, der quasi das Foyer der Untoten vor dem endgültigen Jenseits darstellen soll. Über allen schwebt ein variabler, doppelter Heiligenschein aus Licht. Sieht so das verführerische Himmelstor aus? Eher nicht! Manager dieses seltsamen Ortes sind Hollis (Franziska Roth) und Ballamy (Torsten Bauer). Seit 400.000 Jahren arbeiten sie zusammen, empfangen die verstorbenen Neuankömmlinge von der Erde, die durch den Schlund zu ihnen reisen. Sie haben längst jegliche Empathie für sie verloren, nur kurz begrüßen und dann schnell weiter mit ihnen, ab ins Jenseits. Die absurden Geschehnisse auf der Erde verstehen sie nicht mehr. Man befindet sich auf einer Zeitreise der Menschheit, die viele kritische Fragen aufwirft. Warum lernt das Wesen Mensch nicht aus seinen Fehlern? Nimmt Dystopia seinen Lauf? Alle verstorbenen Promis haben hier übrigens ihre irdischen Kleider abgegeben. Sie lagern in einem riesigen Archiv, vom Steinzeitherrscher, über Karl Marx, bis hin zu Prince. Das Geschehen auf der Erde wird oben deutlich spürbar. Kriegsgeheul, Polizeisirenen oder ein Hurricane mit Starkregen, ganz bewusst über dem Golf von Mexiko platziert und ohne den Namen eines gewissen Tyrannen zu nennen. Alles dringt bis durch den Schlund. Neuankömmlinge kommen in Scharen, als Soldaten, Suizid-Opfer, Drogentote oder umgekommen durch Naturkatastrophen. Besonders eindringlich und berührend ist die Geschichte von Samantha (Susanne Burkhard), die als Lehrerin bei einem US-Amoklauf in einer Schule von einem jungen Täter erschossen wurde. Bei ihrer sehr bewegenden Schilderung hört man besonders genau hin. Sie darf hier im Reich der Untoten bleiben und assistieren, ebenso wie Roxanne (Nadja Buder) und Lloyd (Khalil Fahed Aassy), der sich ständig um sein kleines Kind unten auf der Erde sorgt, es ständig im Blick hat. Über allen wacht die ominöse Direktorin, die das Weltschauspiel auf der Erde täglich veranstaltet. Wieso greift sie nicht ein? Wer sie ist, wird im Stück nicht definiert. Sie taucht auch körperlich nicht auf, hat aber die Macht über alles, unten und oben. Was auf uns nach dem Ableben warten wird, das bleibt der Menschheit hoffentlich ein Rätsel. Diese dargestellte Hypothese ist hart und anklagend, keine weiße Wolke, keine Engelchen und auch keine 72 Jungfrauen für Muslime. Als es der ominösen Direktorin zu bunt wird, zitiert sie Hollis erstmals zu sich und erklärt das Welttheater für beendet, Schluss mit der Menschheit. Nach 400.000 Jahren feiern die fünf dort oben eine Party, mit einem edlen Wein von 1794, der dort oben noch lagert, und Schnittchen für das Publikum. Zu historischer Pop-Musik wird sogar getanzt. Der Weltuntergang wird in „Original“-Kostümen von Simone de Beauvoir, Prince, Karl Marx oder mit Fuchur aus „Die unendliche Geschichte“ zelebriert. Dabei ist Fuchur ein genialer Einschub inmitten des Menschenwahnsinns. Geschichte ist wohl doch nicht unendlich. Alle warten auf den entscheidenden Moment. Wann geht denn da unten das Licht aus, oder hat es sich die Direktorin doch noch mal anders überlegt? Szenisch ist der Abend nahezu perfekt inszeniert. Ein Rädchen greift sauber ins andere. Dinge erschließen sich nach und nach. Der schwarze Humor blitzt immer wieder sehr gut durch, ohne den ernsten Sinn in den Hintergrund zu verdrängen. Man muss hier und da wirklich schmunzeln. Es ist aber niemals eine Komödie. Die Dialoge können voll überzeugen. Torsten Bauer und Franziska Roth bilden ein wunderbares Doppel, sie, die nach außen harte Managerin und er, der Alkoholiker, die traurige Gestalt. Beide Rollen benötigen die Unterstützung der drei Nachkömmlinge, die alle ihre traurige Geschichte mitbringen und jede Menge Liebe in sich herum tragen. Dabei wirkt Franziska Roth mit ihrem hart vorgegebenen Rollenstil sogar unterfordert. Sie, die sonst so herrlich clownesk mimisch variieren und spielen kann, muss eine ziemlich starre und bestimmende Position einnehmen. Das Stück ist wirklich sehr sehenswert, inhaltlich, szenisch und auch des Spielortes wegen. So wie einst Charlie Chaplin, der Adolf Hitler filmisch ein sehr beachtenswertes Denkmal setzte, so ist auch dieser Abend eine herrliche Karikatur der Menschheit, ihrer Dummheit, aber auch ein Sinnbild für eventuelle Restvorkommen ihrer Liebe. Datum: 21. September 2025 theater-oberhausen.de |
Schauspiel 'Menschliches Repertoire' im Theater Oberhausen, Foto: Lukas Driller![]() nächstes Foto |
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